Die Paligan-Akten

(ein Abenteuer von David Schmidt)

Wir befanden uns in der Schenke „Zur goldenen Münze“ in Perricum. Dort sollten wir jemanden treffen, der über wichtige Informationen für uns verfügte. Er würde jeden Tag zur Mittagszeit bis zum Gongschlag der Rondrastunde auf uns warten. Neben einer Beschreibung der Person wurde uns auch ein Losungssatz mitgeteilt, mit dem wir unseren Kontakt identifizieren konnten.

Die Schenke war gut besucht. Außer uns waren dort Seeleute und zwielichtige Gestalten, wahrscheinlich Hehler und Leute, die auf einen unehrenhaften Auftrag warteten. Aber unser Kontakt ließ sich nicht blicken. Oder versteckte er sich einfach zu gut? Hagen fragte beim Wirt nach, ob er eine Person gesehen hatte, die auf die Beschreibung passte.

Der Schankwirt kannte den Mann. Er war in der letzten Zeit jeden Tag zur Mittagszeit in der Schenke anzutreffen. Nur heute nicht. Er kannte sogar seinen Namen, Dalman Turmen, und wusste auch, dass er als Diener in der markgräflichen Residenz arbeitete.

Wir bedankten uns, bezahlten unsere Zeche und machten uns auf den Weg zur Residenz. Die Diener dort erzählten uns, dass Dalman heute nicht erschienen ist. Zum letzten Mal sah man ihn am gestrigen Abend, als er sich auf dem Weg zu seiner Unterkunft machte. Wir ließen uns den Weg dorthin beschreiben.

Nachdem niemand auf unser Klopfen reagiert hatte, öffneten wir die Haustür. Sie war unverschlossen. Das Haus selbst war sehr spartanisch eingerichtet. Weder von Dalman noch über seinen Verbleib konnten wir eine Spur entdecken.

Also befragten wir die Nachbarn. Gegenüber von Dalmans Wohnung wohnte eine alte Frau, eine Flickschneiderin, die ihr Haus nie verließ. Aber von ihrem Geschäft aus beobachtete sie aufmerksam ihrer Straße und wusste so alles, was dort passierte: In der Morgendämmerung hat eine verruchte Frau das Haus verlassen. Sie trug einen Federhut, einen gewagt ausgeschnittenes Mieder und lederne Reitstiefel. Ich möchte nicht wissen, was sie mit diesen liederlichen Dalman dort getrieben hatte. Kurze Zeit später kam Dalman aus dem Haus, doch an der Tür warteten zwei Männer auf ihn und haben ihn niedergeschlagen. Bestimmt hat der Mann des Flittchens die angeheuert, damit er eine Abreibung bekommt. Nachdem sie ihn niedergeschlagen haben, wurde er in eine Schubkarre gelegt und davongefahren. Nein, ich weiß nicht, wohin die sind. Interessiert mich auch nicht, was die mit dem Taugenichts angestellt haben. Wenn ihr Geld von ihm bekommt, müsst ihr schon sehen, wie ihr daran kommt.

Ein Bettler auf der Straße, ein alter Seemann, hatte die Leute mit der Schubkarre auch beobachtet. Er dachte, sie würden ihren betrunkenen Kameraden nachhause bringen. Sie waren wie Hafenarbeiter gekleidet. Einer hatte einen Dreizack auf der Hand tätowiert.

***

Wir suchten am Hafen weiter. Da fiel uns ein Schubkarren auf. Dieser stand vor einem Lagerhaus. Vor dem Lagerhaus stand eine Wache. Das war doch sehr verdächtig. Ich verwickelte den Wachmann in ein Gespräch. An seiner Hand sah ich tatsächlich einen tätowierten Dreizack. Hagen schlich sich von hinten an den Wächter an und schlug ihn nieder. Wir verstauten den bewusstlosen Mann in einem leeren Fass und legten einen Deckel darüber. Nun schlichen wir ins Lagerhaus.

Auf einem Stuhl saß gefesselt ein Mann, auf dem Dalmans Beschreibung passte. Vor ihm stand ein breiter Mann in Seemannskluft. Daneben war ein kleinerer Mann, mit Kaiser-Alrik-Schnauzbart, in der Uniform der kaiserlichen Perlenmeerflotte. Als wir in den Raum schlichen, bemerkten sie uns und wandten sich uns zu.

Wir zogen unsere Waffen und Hagen forderte: Lasst sofort diesen Mann frei oder euer Blut wird fließen!

Beschwichtigend hob der Mann in der Uniform seine Hände: Immer mit der Ruhe. Scheinbar sind wir auf der Suche nach der gleichen Sache. Vielleicht können wir uns zusammentun?

Wer seid ihr und was sucht ihr, fragte Hagen und richtete sein Schwert auf den Mann in Uniform. Ich behielt den Seemann im Auge.

Mein Name ist Sinold von Sturmfels. Wie auch ihr bin ich auf der Suche nach den Aufzeichnungen der verstorbenen Rimiona Paligan. Doch geht es mir nur um ein Schriftstück, das vom privaten Interesse für mich ist. Alles andere, was ihr findet, dürft ihr gerne behalten. Ich zahle euch außerdem jeweils 10 Dukaten, wenn ihr mir den Brief, den ich suche, bringt.

Hagen und ich wechselten einen Blick. Wir sind einverstanden, antwortete Hagen.

Sehr schön. Ich bin jeden Abend in der Schenke „Zur weinenden Meerjungfrau“. Dort findet ihr mich, wenn ihr die Dokumente habt, sprach Sinold beim Verlassen des Lagerhauses. Der Seemann folgte ihm.

Falls ihr euren anderen Diener sucht, rief ich ihn nach, schaut in das Fass neben der Eingangstür.

***

Seid ihr Dalman Turmen, fragte ich den Mann auf dem Stuhl, während Hagen die Fesseln löste.

Ja, ja, der bin ich, antwortete der Gefangene.

Um sicherzugehen, sprach ich die Losung: Die alte Gräfin ist tot. Boron hab‘ sie selig.

Achso, ja… antwortete Dalman: Aber ihr Erbe hat Bestand, über den Tod hinaus.

Dann ist das hier wohl für euch, sprach Hagen und drückte Dalman ein Säckchen mit Goldmünzen in die Hand.

Fünfzig Dukaten, das ist viel zu wenig, meinte der Befreite. Die Informationen, über die ich verfüge, sind so wertvoll, dass diese das doppelte wert sind!

Ihr vergesst, dass wir euch eben befreit haben, antwortete ich. Außerdem ist die Frage, wie geheim eure Informationen wirklich noch sind. Was ist mit der Frau, die euch heute früh besuchte? Hat sie euch auch zu dem Verbleib der Paligan-Aufzeichnungen befragt?

Die Miene von Dalman verfinsterte sich: Ja, sie hat mich verführt und ich habe ihr erzählt, was ich wusste.

Hagen fragte: Wer war die Frau?

Ihren Namen nannte sie nicht, antwortete Dalman. Sie war wunderschön, hatte schwarzes, schulterlanges Haar. Sie trug blaue Kleidung, ein tief ausgeschnittenes Mieder und hohe Reitstiefel aus Leder. Auf ihrem Kopf hatte sie einen Federhut.

Ihr habt ihr alles erzählt, was ihr wisst, fragte ich weiter. Er nickte. Dann erzählt es auch uns.

Vor einem Jahr griff Helme Haffax Perricum an und konnte für kurze Zeit die Stadt unter seiner Kontrolle bringen. Bei den Kämpfen um die Stadt kam meine Herrin, Rimiona Paligan, ums Leben. Sie war die jüngere Schwester von Alara Paligan, die mit dem früheren Kaiser Hal von Gareth verheiratet wurde. Durch den Ehevertrag bekam ihr Sohn Perricum als Grafschaft. Sie selbst wurde zur Gesandten Al’Anfas im Mittelreich ernannt. Als ihr Sohn früh verstarb, übernahm sie die Vormundschaft ihres minderjährigen Enkels Rondrigan und vertrat ihn als Fürsten von Perricum. Im Lauf der Jahre sammelte sie ein umfangreiches Wissen über die Geheimnisse und Schwächen einflussreicher Personen an. Diese schrieb sie nieder und ich weiß, wo sie die versteckt hat. Nachdem ich nach ihrem Tod meine Stellung verlor und zur niederen Dienerschaft geschickt wurde, beschloss ich, meine Informationen zu verkaufen. So wandte ich mich an Egtor von Ibenburg, der euch zu mir schickte.

Und wo finden wir diese Informationen, wollte Hagen wissen, der durch die lange Vorrede ungeduldig wurde.

Die Aufzeichnungen liegen in einem geheimen Tresor in den privaten Gemächern meiner Herrin auf dem Gut Marschenhof nahe der Stadt. Dort hat sie diese hinter dem Bild eines ihrer Verwandten versteckt. Welcher Verwandte das ist, weiß ich allerdings nicht. Den Tresor kann man nur mit einem bestimmten Schlüssel öffnen. Verschafft man sich anders Zugang zu den Dokumenten, werden diese vernichtet.

Wo befindet sich dieser Schlüssel, fragte Hagen.

Meine Herrin hat den Schlüssel im Halsband ihres Schoßhundes versteckt. Tarquinio ist ein Rahjatänzer mit bronefarbenes Fell. Das Halsband ist aus rotem Leder.

Und wo finden wir den Hund, wollte Hagen genervt wissen.

Das edle Tier ist nach dem Tod meiner Herrin verrückt geworden und davongerannt. Ich kann euch gerne die Stelle zeigen, wo ich die Spur verlor. Doch danach, werde ich die Stadt verlassen, verkündete Dalman. Mir wird es hier zu gefährlich.

***

Tarquino befand sich wohl noch in Perricum. Dalman hat seine Spur unweit des Grafenpalastes verloren. Er zeigte uns die Stelle, wo er die Spur des Rahjatänzers verlor, dann verabschiedete er sich und verließ Perricum.

Wir hörten uns in der Gegend um. Die Leute waren nicht sehr auskunftsbereit. Dennoch konnten wir nach einer Stunde in Erfahrung bringen, dass der Hund nun bei der jungen Patriziertochter Trautlinde Falswegen ist. Sie hat den entlaufenen Hund von Rimiona Paligan adoptiert.

Als wir das Mädchen aufsuchten, fanden wir es schluchzend auf dem Rasen liegen. In ihrem Armen lag ein toter Hund. Ich setzte mich neben das Mädchen in das Gras, legte mein Arm um sie und fragte: Mädchen, was ist passiert?

Immer wieder durch Schluchzen unterbrochen, berichtete Trautlinde: Ich spielte mit Geron… er jagte seinen Ball hinterher… wir spielten das immer… ich warf den Ball, dann brachte er mir den zurück… da kam eine Frau und drei Männer… die Frau fragte, ob sie auch mal den Ball werfen dürfte… ich habe sie werfen lassen… Geron brachte ihr den Ball… dann streichelte sie ihn und griff an sein Halsband… das gefiel Geron nicht… er hat sie in die Hand gebissen… sie hat geschrien… einer der Männer hat seinen Dolch gezogen und… und dann… dann hat er…

Ich drückte das Mädchen an mich und streichelte sie. Haben sie Geron umgebracht und dann das Halsband mitgenommen?

Trautlinde nickte weinend.

Wie sah die Frau aus, wollte ich wissen.

Sie hat lange, schwarze Haare gehabt und einen Federhut. Außerdem hatte sie hohe Lederstiefel an, antwortete sie mir.

Ich flüsterte ihr ins Ohr: Wir rächen Geron. Das verspreche ich dir.

Bringt die alle Vier um, forderte die weinende Trautlinde.

***

Die rätselhafte Frau war uns wieder zuvorgekommen. Wir machten uns trotzdem auf den Weg zum Marschenhof. Denn wenn sie auch in Besitz der Dokumente kommen möchte, musste sie dort nach dem verstecken Tresor suchen. Wir mussten nun verhindern, dass sie in Besitz der Dokumente kommt oder ihr diese abnehmen.

Am Gut empfing uns der Verwalter, ein älterer Herr namens Ronwolf Weinacker. Wir sind Reisende auf der Suche nach einer Unterkunft für die Nacht, brachte Hagen unser Begehr vor.

Ihr seid nur zwei Stunden von Perricum entfernt. Dort findet ihr genügend Möglichkeiten zum Übernachten. Außerdem haben wir schon Gäste, antwortete der Verwalter.

Da kommen wir gerade her. Die Gasthäuser sind überfüllt. So sind wir gezwungen, uns woanders eine Unterkunft zu suchen, log ich.

Ronwolf, meldete sich eine ältere Dame zu Wort, die für ihr Alter noch sehr hübsch aussah. Wir haben doch noch ein Zimmer frei. Dort können wir die Fremden unterbringen.

Na gut, Alhina. Dann zeig den Fremden ihre Zimmer.

Aber gerne, sprach die Frau. Bitte folgt mir.

Sie führte uns in das Haus. Wir kamen in eine große Eingangshalle. Auf einem großen Wandmosaik war das Wappen des mittelreichischen Hauses des Zweiges der Paligans zu sehen: eine silberne Krone auf schwarzem Grund. In den Ecken und an den Wanden standen einige kleine Statuen. Über eine große Marmortreppe kamen wir in das Obergeschoss.

Das Leben abseits der Stadt ist so einsam. Ich bin immer froh, wenn wir hier Gäste haben, erzählte uns Alhina, die Ronwolfs Frau war.

Wer sind denn die anderen Gäste, die ihr derzeit beherbergt, wollte ich wissen.

Ishara Cavazaro weilt mit ihrem Gefolge derzeit hier. Sie ist eine Dienerin der kaiserlichen Witwe, Alara Paligan. Ihre Herrin wird demnächst vorbeikommen, um das Grab ihrer Schwester zu besuchen. Sie soll Vorbereitungen für den Besuch treffen, antwortete die Frau des Verwalters.

Dann steht bald hoher Besuch bei euch an, meinte Hagen.

Als ihre Schwester noch lebte, kam die Witwe des Kaisers öfters vorbei. Ich freue mich immer, wenn sie da ist, meinte Alhina. Der linke Flügel ist des Stockwerkes wurden von ihrer Schwester bewohnt. Sie verstarb vor nicht allzu langer Zeit, bei den Kämpfen um Perricum gegen Helme Haffax. Euer Zimmer ist am Ende des Ganges auf der rechten Seite. Daneben befindet sich ein Salon für unsere Gäste.

Nachdem sie uns in unser Zimmer geführt hatte, bat sie uns noch, zum Abendessen in den Speisesaal ins Erdgeschoss zu kommen. Der Koch Hamir würde sich für die vielen Gäste heute Abend besonders anstrengen und etwas Leckers aus seinem Kochtopf zaubern. Die Einladung nahmen wir gerne an.

***

Wir waren beim Abendessen nicht allein mit dem Verwalterehepaar. Eine hübsche Frau, Mitte 30, mit schulterlangem, schwarzem Haar, dunklen Augen, in eleganter Kleidung, war ebenfalls anwesend. Sie stellte sich als Ishara Cavazaro vor, unterwegs im Auftrag der kaiserlichen Witwe.

Der Koch Hamir servierte uns ein leckeres Drei-Gänge-Menü. Als Vorspeise gab es Blätterteiggebäck. Danach wurde uns als Hauptgericht Rindfleisch mit Rosenkohl serviert. Bratäpfel gab es als Nachspeise. Nach dem Essen verabschiedete sich Ronwulf. Er würde sich nun schlafen legen.

Alhina, Ishara und wir gingen in den großen Salon. Auf dem Boden lagen weiche Teppiche. Mehrere Sofas und Sessel luden zum Verweilen ein. Die Wände waren mit Jagdtrophäen und Statuen geschmückt. Später kamen noch Hamir und die Gärtnerin Koraline zu uns. Wir unterhielten uns, Hagen und ich berichteten von unseren Heldentaten, Ishara erzählte den neusten Tratsch aus der Kaiserstadt und ich griff zu meiner Handharfe. Nach zwei Stunden meinte aber auch Alhina, dass es für sie jetzt Zeit sei, zu Bett zu gehen. Als sie den Salon verließ, zwinkerte sich dem Koch zu, der kurz darauf auch verschwand. Ishara meinte auch, dass es an der Zeit sei, den angenehmen Abend zu beenden.

Gemeinsam mit ihr gingen wir die große Marmortreppe ins Obergeschoss hoch. Wir sind auf der Suche nach der gleichen Sache, sprach Hagen sie nun an.

Was meint ihr, fragte Ishara.

Wir wissen, dass ihr Interesse an den Aufzeichnungen von Rimiona Paligan habt. Wir wissen auch, dass ihr im Besitz des Schlüssels zu ihrem Tresor seid. Lasst uns gemeinsame Sachen machen und die Unterlagen unter uns aufteilen, forderte Hagen.

Für wem arbeitet ihr, wollte Ishara wissen.

Wir sind unterwegs im Auftrag des Kaiserlichen Rats für Reichsangelegenheiten zu Gareth, antwortete Hagen wahrheitsgemäß.

Dem Kaiserlichen Rat kann man vertrauen, fand Ishara. Na gut, lasst uns gemeinsame Sachen machen. Wir suchen in den Gemächern von Rimiona nach dem Tresor. Falls ihr diesen findet, gebt mir Bescheid. Ich trage den Schlüssel für den Tresor bei mir.

***

Rimionas Zimmer waren alle sehr prunkvoll eingerichtet. Zahlreiche Gemälde ihrer Verwandten hingen in ihren Zimmern. Es war nicht einfach, das richtige Bild zu finden. Der Tresor befand sich hinter einem Bild in ihrem Ankleidezimmer. Nachdem er ihn gefunden hatte, holte Hagen Ishara und mich dazu.

Ishara fischte aus ihrem Ausschnitt den Schlüssel für den Tresor heraus. Sie steckte diesen in das Schloss, drehte ihn um und öffnete die Tür des Panzerschranks. Im Inneren lagen einige, teils versiegelte Dokumente. Ishara nahm sie an sich.

Ist dort ein Schreiben von einem Sinbold von Sturmfels darunter, wollte ich wissen.

Ishara sah die Dokumente durch: Ja. Sie reichte mir das Schreiben. Ich nehme an, das ist für euch von Interesse. Die anderen Dokumente werde ich mir in Ruhe durchsehen. Was nicht für meine Herrin interessant ist, werde ich euch morgen früh überreichen.

Wir erklärten uns damit einverstanden und gingen auf unsere Zimmer.

***

Ist euch was aufgefallen, Hagen, fragte ich meinen Gefährten.

Ja, unser Auftraggeber erzählte uns von einem Notizbuch. Es lag aber kein Buch in dem Tresor, nur die Briefe und Dokumente, bestätigte Hagen meine Beobachtung.

Ja, wir sollten noch einmal in das Zimmer zurückgehen und den Tresor genauer untersuchen, sagte ich.

Wir hofften, dass Ishara mit den gefundenen Dokumenten beschäftigt war und uns nun nicht über den Weg laufen würde, als wir in das Ankleidezimmer zurückkehrten. Die Tresortür war nicht richtig verschlossen. Ich drückte gegen die Innenwände des Tresors. Plötzlich öffnete sich der Boden. In einem Geheimfach lag ein in Leder eingebundenes Oktavbändchen. Ich nahm das Buch in die Hand und blätterte es durch. Die Seiten waren dicht beschrieben, allerdings waren die Einträge in einer Art Geheimschrift verfasst.

Wir schlossen die Tresortür, hängten das Bild wieder davor und gingen zurück auf unser Zimmer. Jetzt konnten wir beruhigt einschlafen.

***

Es waren nicht sehr viele Sachen unter den Unterlagen, die für meine Herrin interessant sind, meinte Ishara und überreichte uns nach dem Frühstück im Gästesalon einige Dokumente. Allerdings glaube ich auch kaum, dass sich der Kaiserliche Rat sehr dafür interessieren wird. Aber nimmt sie ruhig mit.

Habt Dank, dass ihr die Schreiben mit uns teilt, sagte Hagen.

Was ich behalten habe, hat eher sentimentalen Wert für meine Herrin, setzte Ishara ihre Rede fort. Der Entwurf des Ehevertrags meiner Herrin und glühende Liebesbriefe eines Verehrers habe ich für mich behalten. Meine Herrin wird bedacht darauf sein, die Privatsphäre ihrer Schwester zu schützen, lächelte sie uns an.

Das ist verständlich, antwortete Hagen. Reist ihr heute auch ab, Ishara? Wir könnten ein Stück des Weges gemeinsam reisen, schlug mein Gefährte vor.

Welch schönes Angebot, entgegnete Ishara. Aber ich muss noch einen Tag bleiben. Es gibt hier noch etwas zu erledigen für mich.

Wie schade, fand ich.

***

Wie vereinbart fanden wir Sinold in der Gaststätte „Zur weinenden Meerjungfrau“. Dort überreichten wir ihn seinen Brief. Er gab uns unseren Lohn und wollte uns zu einem Gelage einladen. Doch wir lehnten ab. Wir mussten das Buch zu unserem Auftragsgeber, Egtor von Ibenburg, bringen, bevor Ishara dahinterkam, dass wir ihr die geheimen Aufzeichnungen vor der Nase weggeschnappt hatten.

***

Egtor empfing uns in einem abgedunkelten Hinterzimmer eines Gasthauses. Die Tür wurde von zwei bewaffneten Gardisten bewacht. Er blätterte durch das Notizbuch: Es wird einiges an Arbeit kosten, die Geheimschrift zu entschlüsseln. Aber ihr habt dem Kaiserreich einen großen Dienst erwiesen! Das Wissen, das in dem Buch gesammelt ist, kann so manchem Edelmann zum Verhängnis werden. Meister Stoerrebrandt hatte recht, als er mir sagte, dass ihr für die Aufgabe genau die Richtigen seid. Ihr habt eure Belohnung wirklich verdient. Falls ihr jemals im Kaiserreich Probleme haben werdet, könnt ihr euch auf meine Hilfe verlassen. Vielleicht werde ich erneut eure Dienste in Anspruch nehmen, wenn ich Hilfe abseits der offiziellen Wege brauche. Gut gemacht, Leute!


Janda Frejasdottir

Janda Frejasdottir ist eine Bardin aus Thorwal. Sie war es Leid, nur die Lieder zu singen, die jeder bereits kennt. Deswegen begab sie sich auf eine Reise, um ihre eigenen Abenteuer zu erleben. Unterwegs traf sie auf dem Noriker-Krieger Hagen von Greifenfurt, mit dem sie nun gemeinsam durch Aventurien reist, um Abenteuer zu erleben und neue Lieder zu schreiben.

4 comments on Die Paligan-Akten

  1. Ein Kommentar vom Spielleiter zum Bericht/zur Spielsitzung: Insgeheim freute ich mich schon, als die Spieler zu spät kamen, um Geron zu retten. Ohne Schlüssel werden sie sich schwertun, an die Dokumente zu kommen. Ich war schon gespannt darauf, wie sie sich vor ihrem Auftraggeber rechtfertigen müssten.

    Doch dann überraschten sie mich. Es kam für sie unerwartet, dass die fremde Frau als Gast auf dem Gut weilte. Eigentlich wollten sie diese als Einbrecherin schnappen. Nun boten sie ihr die Zusammenarbeit an. Wie es auch schon ein anderer Jäger der Paligan-Akten tat.

    Gemeinsam fanden sie mit Ishara einige Briefe und Dokumente. Doch (was im Bericht nicht vorkam) wurde bei der Anwerbung den Spielern aufgetragen, ein Notizbuch zu finden. Daran konnten sie sich noch erinnern. Ishara hoffte, die Spieler mit den Dokumenten abspeisen zu können und wollte am nächsten Abend auf die Suche nach dem Buch gehen. Aber Janda und Hagen kamen ihr da zuvor. Ishara fand am nächsten Abend nur noch das leere Geheimfach.

    Egtor war von der erfolgreichen Ausführung des Auftrags (wider meinen Erwartungen) erfreut. Nicht erfreut war aber die Kaiserin Witwe, als Ishara mit leeren Händen zurückkehrte. Ishara wurde als Sklavin nach Al’Anfa verkauft. Sie dient nun Amelia Bonareth-Vapuzios als Zofe. Dass Amelia keine angenehme Herrin ist, kann Janda sicher bestätigen.

    1. Vielen Dank für deine Anmerkungen. Beim Gespräch nach der Spielrunde hattest du uns ja bereits erzählt, dass du auf einen anderen Ausgang des Abenteuers (auf unser Scheitern) gehofft hattest. Umso schöner natürlich, dass wir deine Erwartungen enttäuschen mussten 😛
      Vielleicht war es ein Fehler, dass ich die Anwerbung im Bericht ausgelassen hatte. Ich glaube, ich halte dem Leser dadurch wichtige Informationen vor. Aber irgendwie bist daran auch du schuld. Bei „Blutiger Wein“ hattest du uns nicht die Vorgeschichte, das Fest, ausspielen lassen. Was auch gut war, ich wäre sonst nie mit Junker Jargold freiwillig ins Bett gegangen. Fand das einen interessanten Kniff für das Abenteuer. Das soll aber nicht heißen, dass ich bei jedem Abenteuer neben einem fremden Mann aufwachen will 😉 Mir gefiel die Idee, mitten in der Handlung zu starten. Aber beim nochmaligen Lesen der Geschichte (den Paligan-Akten) habe ich das Gefühl, dem Leser wichtige Informationen vorenthalten zu haben. Ich hätte, zumindest in einer Rückblende, auf die Anwerbung eingehen müssen.
      Das Schicksal von Ishara hattest du uns bei der Nachbesprechung verschwiegen. Die Arme! Amelia kann eine ziemliche Zicke sein und wird sicher sehr bemüht sein, aus der einst schönen Ishara ein hässliches Entlein zu machen. Aber wenn Ishara schon zur Vertrauten der Kaiserinwitwe wurde, kann sie es vielleicht auch schaffen, bei Amelia von Dienerin zur engsten Vertrauten aufzusteigen. Ich habe richtig Lust, den beiden in einem Abenteuer zu begegnen. Lass dir was einfallen 🙂

      1. Lass dir was einfallen… ihr Spieler macht es euch ja immer so leicht. Na gut, wenn du nicht bei jedem Abenteuer neben einen fremden Mann aufwachen willst, werden es wohl künftig Goblins, Orks und Oger sein. Es wird etwas an Zeit brauchen, bis Ishara ihre neue Herrin von ihren Qualitäten überzeugen kann. Aber er weiss, vielleicht trefft ihr wirklich mal wieder auf das Gespann. Mal sehen, was mir dazu für eine Geschichte einfallen wird.

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