Rübenernte

(ein Abenteuer von Niklas Forreiter)

Ein seltsamer Brief ist beim Grafen von Geestwindskoje Kaspron Juschko eingetroffen. Sein Gefolgsmann Elkwin von Wulzen hat ihm eine Nachricht über seltsame Vorgänge in seinem Regierungsbereich geschrieben. Es soll Probleme bei der Rübenernte gegeben haben. Bei der diesjährigen Ernte sind besonders die Rüben sehr groß ausgefallen. Aber man bekam sie nicht aus der Erde. Als man begann die Rüben aufzuschneiden, fingen diese plötzlich an zu bluten. Kaspron beunruhigte dieser Brief und er schickte uns nach Neu-Wulzen, um seinen Untergebenen beizustehen.

Nachdem Wulzen, das näher an der Küste gebaut war, von einer Wanderdüne begraben wurde, hat man die Ortschaft als Neu-Wulzen an der Kaiserstraße wiedererrichtet. Der Ort ist klein, aber nicht abgelegen. Viele Fuhrwerke und Reisende verkehren auf der Kaiserstraße entlang der Küste, und so ist neben der Landwirtschaft und dem Fischfang das Gasthaus der dritte Wirtschaftsfaktor des Dorfs.

***

Elkwin von Wulzen war schwer von der Gicht geplagt und verließ kaum noch sein Bett. Doch da wir im Auftrag seines Herrn unterwegs waren, durften wir ihm aufsuchen. Seine Tochter Libussa, die während seiner Unpässlichkeit die Aufgaben ihres Vaters übernommen hatte, ließ uns zu ihm gehen. Der alte Junker empfing uns in seinem Schlafgemach.

Seltsame Dinge gehen vor. Dieses Jahr wuchsen unsere Rüben zu einer außergewöhnlichen Größe an. Als unsere Bauern diese aus der Ernte ziehen wollten, taten sie sich sehr schwer dabei. Als sie die Rüben aufschnitten, begannen einige der Rüben zu bluten. Ein sehr schlechtes Zeichen, wenn ihr mich fragt. Da geht es nicht mit rechten Dingen zu. In der Nacht hatte ich einen seltsamen Traum. Ich stand im alten Speicher. Dort lauerte eine unheimliche Gefahr auf mich. Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, was die Gefahr war. Ich weiß nur noch, dass ich schweißgebadet aufgewacht bin. Dies war wohl ein Zeichen. Denn am nächsten Tag brach eine furchtbare Rattenplage über uns ein. Die meisten der Tiere konnten wir aber ausrotten. Irgendwas stimmt hier nicht. Findet heraus, was für ein Fluch auf unser kleines Dorf liegt!

Seine Tochter Libussa war weniger auskunftsfreudig: Mehr als mein Vater euch erzählt an, kann ich euch auch nicht erzählen. Geht euren Auftrag nach und stört mich nicht.

Libussa verließ den Raum und ließ uns allein zurück.

***

In der Gaststätte, in der wir untergebracht waren, erzählte uns der Wirt, dass am Abend ein Fest zu Ehren der Göttin des Ackerbaus, Peraine, stattfinden soll. Eine Perainegweihte sei dafür aus einer anderen Stadt angereist gekommen. Sonst konnte er die Beobachtungen des Bronnjaren teilen. Auch diesen Albtraum hatte der Wirt am Tag vor der Rattenplage gehabt. Alles war sehr beunruhigend. Man erzählt sich, dass früher ein Dämon am alten Speicher hauste. Diese seltsame Ernte und das Auftauchen der Ratten wären ein Zeichen dafür, dass auf die Ernte dieses Jahr ein uralter Fluch lastete.

Die Peraine-Geweihte Prähngunde war für uns nicht zu sprechen, da sie mit den Vorbereitungen für die Zeremonie am Abend beschäftigt war. Aber danach würde sie sich gerne mit uns unterhalten.

Wir suchten den alten Speicher auf. Ein altes baufälliges Holzkonstrukt, das zur Lagerung der Rüben diente. Die Rüben waren übernatürlich groß und wirkten sehr frisch. Bei dem Boden, auf dem sie gewachsen sind, war es wirklich ein Wunder, dass sie so gut wachsen konnten.

Als Fremde wurden wir von den Bewohnern des Dorfes argwöhnisch beäugt. Wir erzählten ihnen von unserem Auftrag, dass wir Nachforschungen im Auftrag von Elkin von Wulzen durchführen würden. Das lockerte ihnen die Zunge und sie gaben uns bereitwillig Auskunft über die Ereignisse der letzten Tage.

Auch sie erzählten von den übergroßen Rüben, die beim Aufschneiden das Bluten anfingen und der Rattenplage, die einige Tage danach folgte. Einer der Bauern konnte sich daran erinnern, dass nach der letzten Saat ein Blitz in einer alten Esche einschlug. Der Blitz spaltete die Esche. Dann wäre dort ein Geist erschienen. Die Leute, die das mitbekommen haben, waren dadurch so erschrocken, dass sie davonrannten.

***

Die Gaststube war schon gut gefüllt. Zahlreich waren die Einwohner von Neu-Wulzen zur Feier des Rübenfestes erschienen. Nicht nur die Einwohner, auch durchreisende Kaufleute wollten sich die Peraine-Zeremonie nicht entgehen lassen.

Wir sahen Libussa, die in Begleitung eines Herren war. Er stellte sich als Pjerow von Jellinske vor. Ein reisender Gelehrte, der magische Orte und Ereignisse im Bornland untersucht. Von diesen gäbe es zurzeit sehr viele. Nach Wulzen kam er wegen der vom Blitz gespaltenen Esche, um diese genauer zu untersuchen. Mehr konnte er uns von seinen Forschungen nicht erzählen, denn die Perainegeweihte forderte die Menge dazu auf, zu schweigen.

Prähngunde aus Skorpsksy war der Name der Akoluthin. Mit einem Dankgebet an ihre Göttin wollte sie das Rübenfest eröffnen. Wir fasten uns alle an den Händen und lauschten den Worten von Prähgunde: Jedes Tierlein hat sein Essen, jede Blume trinkt von dir, hast auch uns nicht vergessen, liebe Peraine, wir danken dir…

Plötzlich begannen die Fensterläden zu klappern und das Fackellicht flackerte. Mit einem lauten Knall schlägt die große Haustür auf. Ein kalter Hauch fegte durch den Gastraum. Eine helle Gestalt erschien im Türrahmen, ein Mensch, grün und weiß schimmernd, ein Mann, vielleicht vierzig Jahre alt, in grüner Kutte, mit einem Ährensymbol. Seine Gestalt war mit Wunden übersät. Der Geist eines Perainegeweihten. Finster blickte er in die Runde und sprach:

Das Land ist in Aufruhr, die Herrin schenkt euch die Kraft und ihr müsst euch ihrer würdig erweisen! Doch hütet euch! Dunkle Mächte greifen nach den Früchten eurer Felder! Das dürft ihr nicht erlauben. Sie dienen falschen Göttern und schänden das Land! Nur harte Arbeit, die Aussaat und die Pflege der Äcker bringt Segen. So schärft eure Sensen und befestigt die Speicher. Wir wollen das Werk der Zwölfe tun!

Nach der Ansprache verblasste die Gestalt und löste sich in der Luft auf. War es eben noch mucksmäuschenstill im Raum, gab es nun ein wildes Stimmengewirr. Ich konnte die Begriffe Rüben, Blut und Ratten verstehen.

Ruhe! Ruhe, ertönte die Stimme der Bronnjarin. Leute, seid doch mal still. Passt auf, was heute Abend hier passiert ist, geht niemanden was an. Wir werden niemanden, wirklich niemanden erzählen, was geschehen ist. Und jetzt geht nachhause und betet. Dann wird alles wieder in Ordnung kommen.

Die Leute folgten der Aufforderung ihrer Herrin und verließen die Gaststätte. Auch Libussa und ihr Begleiter machten sich auf den Weg.

Frau von Wulzen, wartet, forderte Hagen sie auf. Doch sie schien ihn nicht zu hören und verschwand. Jetzt waren nur noch Prähngunde, Hagen und ich in der Schankstube.

***

Bis auf uns Drei war die Schankstube nun leer. Da auch der Wirt sich entfernt hatte, ging Hagen hinter die Theke und zapfte für jedem von uns ein Bier. Wir setzten uns mit Prähngunde zusammen.

Wer hätte gedacht, dass ihr mit eurem Erntesegen einen Geist herbei beschwört, unkte ich.

Spottet nicht, meine Herrin hat keinen Geist erscheinen lassen. Es handelt sich um eine gefangene Seele, die um Erlösung bittet, erwiderte die Geweihte etwas gekränkt.

Hagen stellte die Bierkrüge auf unserem Tisch ab: Wir hörten heute, dass schon einmal ein Geist hier erschienen ist. Als ein Blitz in eine Esche einschlug. Meint ihr, das war der gleiche Geist?

Von Geistererscheinungen weiß ich nichts, antwortete Prähngunde. Mein Tempel hat mich hierhergeschickt, um mir die Sache mit diesen Riesenrüben näher anzuschauen. Eine Frau namens Tinke hat mir dann von der Rattenplage, die hier war. Deswegen wollte ich das Rübenfest organisieren, um Peraines Segen zu erbitten, damit hier alles wieder ins Reine kommt.

Um alles wieder ins Reine zu bringen, schickt sie diesen Geist vorbei, schlussfolgerte Hagen.

Vielleicht ist der Geist wirklich die Lösung, merkte die Geweihte an. Geister sind gefesselte Seelen. Sie sind an einer Aufgabe gefesselt. Sobald diese Aufgabe erledigt ist, findet die Seele im Totenreich ihre Ruhe.

Ob sich Libussa dieser Aufgabe annehmen wird, fragte ich in der Runde.

Ich wollte sie vorhin noch fragen, was sie zu unternehmen gedenkt, antwortete Hagen. Aber sie hatte es sehr eilig, hier wegzukommen.

Eigentlich ist es ja die Aufgabe der Bronnjarin, sich um den Geist zu kümmern, meinte Prähngunde. Aber da es sich hier um einen Perainegeweihten handelt, fühle ich mich verantwortlich dafür. Deswegen beauftrage ich euch im Namen des Perainetempels von Skorpsky damit, die gefesselte Seele zu befreien. Mein Tempel ist sicher auch bereit, euch dies zu vergüten. 10 Batzen pro Person sollten auf jeden Fall drin sein.

Lasst uns morgen mit Libussa sprechen, sagte ich zu Hagen. Wir können ihr unsere Hilfe anbieten.

So machen wir das, sprach Hagen, stand auf und ging zum Tresen, um uns eine neue Runde Bier einzuschenken.

Eigentlich sind wir aber, genauso wie ihr, wegen der Rüben und Ratten da, erzählte ich der Geweihte. Was habt ihr bisher herausgefunden?

Die Rüben sind auffallend groß und sehr frisch. Ich habe eine gegessen, aber weder gute noch schlechte, Auswirkungen davon gehabt. Der Boden, auf dem sie gewachsen sind, ist für solche Erzeugnisse aber nicht geeignet. Von den Rüben geht auch ein schwaches magisches Feld aus. Aber welche Auswirkungen das hat, blieb mir verborgen.

Hagen brachte die nächste Runde Bier an unserem Tisch. Das sollte auch nicht die letzte des Abends sein. Wir saßen noch eine lange Zeit beieinander und unterhielten uns nicht nur über die Rüben und Geister. Als wir später auf unsere Zimmer gingen, legten wir eine Goldmünze auf dem Tresen. Das sollte mehr sein, als wir getrunken hatten.

***

Trotz der vielen Biere wachten Hagen und ich früh am Morgen auf. Wir frühstückten und machten uns dann auf den Weg zu Libussa. Elkwins Tochter war aber sehr einsilbig uns gegenüber. Sie lehnte unsere angebotene Hilfe des Geistes betreffend ab. Wir sollten uns weiterhin nur um die Rüben kümmern. Der Geist wäre ihre Sache. Als ich mit ihrem Vater sprechen wollte, ließ sie uns nicht zu ihm. Er würde sich heute gesundheitlich nicht in der Lage fühlen, Besuch zu empfangen. Wieder einmal ließ uns Frau von Wulzen allein sitzen.

***

Als nächstes besuchten wir die Stallmacherin Tineke Tuljow. Prähngunde hatte sie als interessante Informantin empfohlen. Außerdem könnten wir bei ihr auf Unterstützung hoffen, was die Arbeiten am alten Speicher beträfe. Denn das war wohl der Wunsch des Geistes: der Speicher soll ausgebessert und der Acker bereitet werden.

Die Frau mittleren Alters trug einen Eisenring um ihren Hals. Dies kennzeichnete sie als besonders wichtige Leibeigene. Graue Strähnen hingen zwischen ihrem langen schwarzen Haar. Erst war sie uns gegenüber sehr zurückhaltend, doch als wir ihr erzählten, dass Prähngunde uns zu ihr schickte, wurde sie mitteilsamer.

Sie war dabei, als der Geist an der Esche erschien. Doch im Gegensatz zum Vorabend schwieg er. Es war aber die gleiche Gestalt. Wahrscheinlich würde er im alten Speicher hausen, denn der Ort sei verflucht. Vor kurzem waren dort Geräusche zu hören: hohles Klappern und gedämpfte Schreie. Ihr ist außerdem aufgefallen, dass Gemüse, welches neben den Rüben gelagert wurde, auch besonders aromatisch und frisch wurde. Sie vertraute Lubissa nicht sehr. Nach dem sich die seltsamen Erlebnisse gehäuft hatte, blieb sie untätig. Deswegen ließ sie nach Prähngunde schicken. Auch bei der Sache mit dem Geist denkt sie, dass Lubissa nichts unternehmen wird. Aber falls wir helfen wollten, würde sie uns unterstützen.

***

Laute Schreie lenkten unsere Schritte zum Marktplatz. Dort standen die drei Stadtbüttel. Einer hielt einen jungen Mann fest, während die beiden anderen auf den Mann einschlugen. Jeder dieser Schläge verursachten einen lauten Schrei bei dem Empfänger.

Meint ihr nicht, ihr habt dem Mann schon genug Schaden zugefügt? Lasst ihn laufen, empörte sich Hagen.

Das Schwein wollte unsere Rüben klauen, antwortete einer der Büttel und holte zum nächsten Schlag aus. Blut spritze aus der Nase des Mannes.

Erst die armen Leute hier ausfragen und bedrohen und dann noch ausrauben, kam vom zweiten Büttel als Antwort. Dieser rammte seine Faust gegen den Kopf des Mannes. Der Treffer hinterließ ein blaues Auge.

Genug ist genug, brüllte Hagen und stürzte sich auf die Büttel. Ich folgte seinem Beispiel. Die drei Raufbolde ließen von ihrem Opfer ab und widmen nun uns unsere volle Aufmerksamkeit. Besonders Hagen wurde übel zugerichtet. Doch noch übler zugerichtet war der junge Mann. Wir nahmen ihm mit in unser Zimmer im Gasthof, um seine Wunden zu versorgen.

***

Passt doch auf! Ich weiß nicht, was schlimmer war: die Schläge von diesen Unholden oder eure Versuche, mich zu heilen, wimmerte der halbnackte Mann, der auf Hagen und meinem Bett saß. Ich sah ihm böse an.

Die Kerle hätten euch totgeprügelt, wenn wir nicht eingegriffen hätten, raunzte Hagen ihn an. Seid nicht so undankbar. Was habt ihr verbrochen, dass ihr eine solche Behandlung verpasst bekam?

Ich habe von den großen Rüben gehört, die hier wachsen. Als Meister der Magie wollte ich einen Blick darauf werfen und ihr Geheimnis erkunden. Also habe ich die Leute befragt, aber die sind nicht sehr offen gegenüber Fremde. Da ich keine andere Möglichkeit sah, an Informationen zu kommen, wollte ich einige der Rüben mit mir nehmen. Da kamen dann diese Raufbolde. Wirklich ein sehr unfreundliches Volk hier.

Wenn ich euch verarztet habe, verschwindet ihr am besten, meinte ich.

Aber das Geheimnis der Rüben, widersprach mir der Magier.

Ihr habt euch heute hier keine Freunde gemacht und die Dorfbewohner werden euch bestimmt nicht unterstützen. Es ist besser, wenn ihr wieder geht, bevor Schlimmeres passiert.

Ein Meister der Magie, brummte Hagen, nachdem jener uns verlassen hatte. War das wirklich schlau, den wegzuschicken? Er hätte uns vielleicht nützlich sein können.

Nicht so, wie er sich hier benommen hat. Außerdem ging er mir mit seiner undankbaren Art auf die Nerven, meinte ich. Und nun lasst mich mal eure Wunden ansehen, Hagen.

***

Am nächsten Morgen erschien Tineke mit einigen Arbeitern beim alten Speicher und wir begannen damit, das Gebäude wieder instand zu setzen. Bei den Bauarbeiten entdeckte ich Knochen. Diese sahen aus, als würden sie zu einem menschlichen Skelett gehören. Zwischen den Knochen lag ein bronzener Storchenanhänger. Als wir diesen Prähngunde zeigten, meinte sie, dass dies bestimmt die Gebeine des Geistes waren. Wir begruben diese und Prähngunde sprach einen Grabsegen über die Ruhestätte.

In der Nacht erschien wieder der Geist. Wir sahen diesen nicht. Aber es wurde erzählt, dass er beim Speicher erschien, Ausbesserungsarbeiten am Speicher ausführte und den Boden bestellte. Auswirkungen seiner Arbeit konnten wir nicht feststellen. Aber wir schienen schon das Richtige zu unternehmen. Wir setzten unsere Arbeiten fort.

Es überraschte uns, dass wir am nächsten Tag nur noch Tineke am Speicher antrafen. Von weiteren Helfern keine Spur. Libussa war am Morgen im Dorf ausgetauscht und hatte verlangt, dass sich ihre Untergebenen am Dorfplatz versammeln. Dort hielt Libussa eine strenge Rede und erinnerte an ihr Verbot im Gasthaus und an die Pflichten von Leibeigenen. Immerhin hatte sie und ihre Familie immer gut für die Bewohner von Neu-Wulzen gesorgt. Da dies stimmte, stellten sie nun die Arbeiten am Speicher wieder ein. War es doch der Befehl der Bronnjarin, nichts in der Sache des Geistes zu unternehmen.

Sofort machten wir uns auf dem Weg zu Libussa, doch sie war für uns nicht ansprechbar. Nur noch zu dritt gingen die Arbeiten nur noch langsam voran. Des Nachts besuchten Hagen und ich den Speicher, um auf die Geistererscheinung zu warten. Der Geist tauchte auch auf. Als dieser das Beet bestellte, sprachen wir ihm an und baten ihn um Hilfe bei den Arbeiten, aber er reagierte nicht darauf.

***

Als wir am Abend wieder zum Gasthaus zurückgingen, bemerkten wir einen Aufruhr im Dorf. Als wir einen der Dorfbewohner fragten, erzählte er uns, dass einige Dörfler beim Holzsammeln im Wald von Wölfen angegriffen wurden. Sie konnten sich auf Bäume flüchten. Wir ließen uns den Weg zeigen und eilten den Dörflern zur Hilfe.

Sieben Grimwölfe scharten sich um die Bäume und heulten diese an. Mit gezogenen Waffen stürzten wir uns auf die Tiere. Einen nach dem anderen konnten wir mit unseren Schlägen vertreiben. Laut jaulen rannten sie zurück in den Wald. Erleichtert kamen die Dorfbewohner wieder von den Bäumen herunter.

***

Unsere Rettungstat sprach sich in Neu-Wulzen herum. Es erschienen wieder Arbeiter auf unserer Baustelle. Endlich ging es wieder voran. Ein paar Tage später konnten wir den Speicher fertigstellen. Tineke brachte nun die Rüben dorthin, um sie hier zu lagern. Am nächsten Tag begannen wir, uns um das Beet zu kümmern. Libussa mischte sich diesmal nicht ein. Wahrscheinlich hatte sie es aufgegeben, sich uns in den Weg zu stellen. Warum auch immer sie das tat.

***

Als es zu dämmern begann, wurde es plötzlich kalt. Laut knarzend öffnete sich die Tür des Speichers. Eine helle Gestalt kam aus der Scheune. Grün und weiß schimmernd. Es war die Gestalt des Peraine-Geweihten. Doch im Gegensatz zum letzten Mal wirkte er freundlich:

Habt Dank, dass ihr meinen Auftrag zu Ende gebracht habt. Mein Name war Eschfried aus Hamkeln. Zu meiner Lebzeit waren die Rüben von Wuzeln von einer geheimnisvollen Magie erfüllt. Die Hesindegeweihten von Wuzeln haben diese Magie untersucht. Ich weiß, ihr sucht nach solchen Informationen. Seht, diese Düne dort. Diese hat den alten Tempel überschüttet. Wenn ihr dort grabt, dann kommt ihr in den Tempel.

Meine Aufgabe war es, für das Dorf zu sorgen. Dem konnte ich nicht nachkommen. Die Theaterritter unter Marschallin Jadvige von Hummergarben haben damals Feldfrüchte und reiche Ernte konfisziert. Die Bevölkerung vieler Dörfer musste damals hungern. Ich stellte mich ihnen entgegen, wollte unsere Ernte nicht rausrücken. Da erschlugen sie mich einfach. Doch nun ist der Speicher wiederhergestellt und der Acker wird bearbeitet, für das Volk wird wieder gesorgt und mir wird Erlösung gewährt. Habt Dank dafür!

Die grüne Gestalt löste sich wieder in der Luft auf und kehrte nie wieder zurück.

***

Da es schon spät war, verzichten wir darauf, sofort zum Tempel aufzubrechen. Einige der Arbeiter versprachen, uns am nächsten Tag mit den Ausgrabungen zu unterstützen. Dank deren Hilfe konnten wir innerhalb von zwei Stunden einen Teil das Dach des Tempels freilegen. In das Dach schlugen wir ein Loch. Mit einem Seil ließen sich Hagen und ich hinunter. Die Dörfler wollten uns nicht begleiten.

Mit unserem Gwyn Petryl-Stein sorgten wir für Licht. Wir befanden uns in einer großen Halle. Diese war bis zur Hälfte mit Sand gefüllt. Das Hauptportal war noch intakt, konnte aber nicht geöffnet werden. Wahrscheinlich blockierte der davor liegende Sand das Tor. Das Dach des Nordflügels ist unter dem Sand eingebracht, sodass dieser Teil des Tempels vollständig unter Sand begraben lag.

Ein Durchgang führte uns in einen leeren und schmucklosen Raum. Nur einige Steinpodeste blieben von der ursprünglichen Einrichtung übrig. Das war früher wohl mal der Lese- oder Ausstellungssaal des Tempels. Eine Wendeltreppe führte nach unten.

Die Treppe endete vor einer Steintür. Diese war verschlossen. Mit meinen Dittrich konnte ich diese öffnen. Dahinter verbarg sich das Archiv des Hesindetempels. Dort sollten wir die gesuchten Aufzeichnungen finden. Doch auf dem Weg zu den Steinregalen gab der Boden unter uns nach. Hagen und ich stürzten zu Boden. Zum Glück gab es nur ein paar Schrammen. Jetzt bewegten wir uns vorsichtiger. Bei den zurückgelassenen Schriftrollen und Büchern handelte es sich vor allem um Entwürfe, Liste und doppelten Abschriften.

Das könnte interessant sein, meinte Hagen. Ich habe hier die Dorfchronik. Es scheint auch tatsächlich etwas über die Rüben aufgezeichnet worden zu sein. Hier… ab 250 BF wird von reichen Ernten berichtet. Blutende Rüben wurden 269 BF zum ersten Mal erwähnt. Experimente der Hesindegeweihten haben ergeben, dass die Rüben ähnliche alchemistische Eigenschaften hätten, wie Alraunen. Es kam wohl auch mal zu einem Unfall. Als ein sehr kraftintensiver Zauber in der Nähe der Rüben ausgeführt wurde, explodierten diese. Als Ursache für die magische Aufladung der Rüben wurde ein diffus kraftaffiner Felsen namens Trollkopf identifiziert. Es wurde empfohlen, die von ihm angezogene Kraft in einem auf ihm gepflanzten Baum zu binden. Das war wohl die Esche, die vom Blitz getroffen wurde. 274 BF kam dann der Theaterritterorden und nahm sich die Ernte von den Dorfbewohnern. Danach wurde auch die Forschung an den Rüben eingestellt, da auch keine nennenswerte Magie mehr an ihnen festgestellt werden konnte.

Hagen packte das Buch ein. Wir waren uns einig, dass wir es zuerst Prähngunde zeigen würden. Da Libussa sich bei unseren Forschungen eher hinderlich verhielt. Es schien so, als würde sie etwas verheimlichen wollen.

***

Nicht so schnell, wir haben noch eine Rechnung offen, ertönte eine Stimme, als wir wieder im Lesesaal waren. Die drei Büttel warteten auf uns. Diesmal waren sie mit Streitkolben bewaffnet.

Auch wir zogen unsere Waffen. Hagen holte mit seinem Zweihandschwert aus, doch sein Opfer konnte ausweichen. Mein Rapier bewegte sich auf meinem Gegner zu und verletzte ihm am Bein. Die Streitkolben unserer Gegner verfehlten uns. Der zweite Hieb von Hagen fand seinen Gegner. Ein lauter Schmerzschrei kam aus der Kehle des Getroffenen. Auch meinen nächsten Stich konnte mein Gegner nicht parieren. Einer der Büttel holte nach Hagen aus, doch stolperte dieser und stürzte durch die Wucht seines Angriffs zu Boden. Durch das Ausweichen rannte aber Hagen direkt in den Streitkolben eines anderen Büttels. Auch ich musste einen harten Schlag einstecken. Hagens Schwert sauste auf dem am Boden liegenden Gegner herunter. Doch der rollte sich zur Seite und kam wieder auf die Beine. Mit meinem Rapier konnte ich meinen Gegner erneut verwunden. Bald müsste dieser besiegt sein. Hagen musste einen harten Schlag mit dem Streitkolben einstecken. Auch mich erwischte wieder ein harter Hieb. Langsam fühlte ich mich schummrig. Diesmal schienen uns die Büttel zu besiegen. Mit der Wut der Verzweiflung stach ich auf meinem Gegner ein. Dieser Stich schien zu sitzen. Blut sickerte durch die Rüstung des Büttels. Er erschrak und flüchtete. Nur noch zwei Gegner. Auch Hagens Gegner suchte das Weite, nachdem er noch einmal einen wuchtigen Schlag einstecken musste. Jetzt sahen wir uns nur noch einen der Büttel gegenüber. Dieser war bereit, es mit zwei Gegnern aufzunehmen. Noch dazu, da wir schon sehr angeschlagen waren. Einer seiner Schläge setzte Hagen erneut zu. Während er Hagens Schlag abwehrte, ergab sich dadurch für meinem Rapier genug Platz, einen Treffer zu platzieren. Sein nächster Schlag galt mir. Doch der ging ins Leere. Hagen und ich schlugen auf ihm ein und trafen. Wieder verfehlte er mich. Hagen holte mit seinem Schwert aus, zog durch und traf den Büttel am Hals. Blut spritzte durch den Raum, als der Kopf des Büttels sich vom Hals trennte und durch den Lesesaal flog. Einer der drei Raufbolde musste den hinterhältigen Angriff auf uns mit seinem Leben bezahlen.

Nun brauchten wir aber erst einmal eine Rast und mussten durchschnaufen. Zum Glück hatte ich noch ein paar Heiltränke in meinem Rucksack.

***

Nachdem wir den Tempel wieder verlassen hatten, wollten wir ins Dorf zurückkehren. Doch als wir den alten Speicher passierten, hörten wir Hilferufe. Es war die Stimme von Tineke. Libussa war gemeinsam mit ihrem Bekannten Pjerow aufgetaucht. Sie hatten den Wagen mit den Rüben gestohlen und waren nun auf einem schmalen Pfad auf dem Weg zur Kaiserstraße. Wir gaben unseren Pferden die Sporen und verfolgten sie.

Hagen holte sie vor mir ein. Er stellte sich der Kutsche in den Weg und verlangte von Libussa, dass sie ihm erkläre, was hier vorging. Eine Antwort bekam er aber nicht. Libussa und Pjetrow griffen ihn an.

Da er mit zwei Leuten gleichzeitig zu kämpfen hatte, ließ Hagen diesmal den Zweihänder stecken. Diesmal kämpfte er mit seinem Khunchomer Säbel und in der anderen Hand mit seinem Langschwert. Sein Säbel stieß gegen das Langschwert von Pjerow, doch mit seinem Schwert konnte er Libussa treffen. Pierows Angriff konnte er abwehren. Libussas Angriff auf Hagen ging so weit daneben, dass sie ihre Klinge ins eigene Bein bohrte. Hagens nächster Hieb traf Pjerow sehr heftig. Aber diesmal konnte Libussa abwehren. Mit einem angetäuschten Angriff überlistete Pjerow Hagen und traf diesen. Libussa verfehlte den Gegner wieder. Diesmal verfehlte Hagen seine Gegner. Das Schwert von Pjerow blockte er ab. Libussas Angriff jedoch erwischte ihm.

Endlich erreichte auch ich den Kampfplatz. Ich sprang vom Pferd und eilte meinem Freund zur Hilfe. Hagens nächster Treffer streckte Pjerow zu Boden. Libussa wehrte seinen Angriff ab. Doch mich sah sie nicht kommen. Ich streckte sie mit einem Schlag nieder. Sie lag vor uns am Boden und ergab sich.

***

Libussa bedankte sich bei uns, dass wir sie verschont hatten. Pjerow hätte sie dazu gezwungen, ihm zu helfen. Er hatte sie mit einem Geheimnis aus ihrer Vergangenheit erpresst. Ursprünglich kam er nach Neu-Wulzen, weil er Forschungen über die gespaltete Esche anstellen wollte. Dann geschahen die Ereignisse mit den Rüben und der Rattenplage. Das zog sein Interesse auf sich. Es passte ihm gar nicht, dass wir auftauchten und von unserer Seite her Nachforschungen anstellten. Deswegen beauftragte er Libussa damit, uns auszubremsen und zu behindern. Pjerow gehörte einem Kult an, der den Sohn der Kriegsgöttin Rondra verehrte, Kor. Er wusste, dass die Rüben etwas Besonderes waren. Aber was genau mit ihnen los war, konnte er nicht herausfinden. Er entschloss sich die, die blutenden Rüben seinen Gott Kor zu opfern. Deswegen stahl er gemeinsam mit Libussa die Rüben. Uns war egal, was nun aus Libussa wurde. Sie sollte sich allein vor ihrem Vater verantworten. Das Buch mit der Dorfchronik gaben wir erst Prähngunde, damit sie die für sie wichtigen Stellen abschreiben konnte. Danach ging die Chronik zu Libussa über. Gemeinsam mit Prähngunde reisten wir nach Skorpsky, um uns dort die von unserer Freundin versprochene Belohnung abzuholen. Kaspron Juschko suchten wir zuletzt auf und informierten ihn über die Vorkommnisse in Neu-Wulzen.


Janda Frejasdottir

Janda Frejasdottir ist eine Bardin aus Thorwal. Sie war es Leid, nur die Lieder zu singen, die jeder bereits kennt. Deswegen begab sie sich auf eine Reise, um ihre eigenen Abenteuer zu erleben. Unterwegs traf sie auf dem Noriker-Krieger Hagen von Greifenfurt, mit dem sie nun gemeinsam durch Aventurien reist, um Abenteuer zu erleben und neue Lieder zu schreiben.

3 comments on Rübenernte

    1. Danke für das Lob, Onkel Boron (schöner Name übrigens). Ich wünsche dir und deiner Gruppe viel Spaß beim Spielen. Wenn ihr es gespielt habt, kannst du ja gerne mal kurz schreiben, wie es bei euch lief.

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