(ein Abenteuer von Marie Mönkemeyer aus der Antholgie „Verräter und Geächtete“ )
Rashdul, die unschätzbare Alte, ragt stolz und unbezwingbar inmitten der Sandsteinfelsen über den Mhanadifluten auf. Vom Fluss kommend zieht sie sich den Hang hinauf, die Oberstadt der reicheren Bewohner sitzt, von einer eigenen Mauer umgeben, auf einem Felsplateau und ist ebenso weit sichtbar wie die Magierakademie. Die Al’Pandjashtra, wie die Tulmaniden die Pentagramm-Akademie nennen, ist ein fünfeckiger Prachtbau mit unzähligen Türmchen und Kuppeln, die die Lehmhäuser der Unterstadt überragen. Über allem thront der Alabasterpalast der Herrscher von Rashdul, ein weißes Wunderwerk mit Zwiebeltürmen und glänzenden Dächern.
Bevor wir eines der drei Toren passiert hatten, wussten wir, dass diese Stadt aus einem tulmanidischem Märchen stammen muss. In sechs Tagen war es so weit. Da wurde vor dieser märchenhaften Kulisse das Fest der Freude gefeiert. Sieben Tage lang wird zu Ehren von Rahja, der Göttin der Liebe, gefeiert. Zahlreiche Prozessionen ziehen durch die Stadt, allerorten wird immer wieder getanzt, Karawansereien sind voller Pilger, und der Rahjatempel quillt über vor Feiernden. Liebesabenteuer auch mit zuvor Unbekannten sind nicht unüblich. Es heißt sogar, dass die wunderschöne Herrscherin der Stadt, Shanja Eshila, würde sich verkleidet unter die Feiernden mischen.
Die bevorstehende Feier sorgte dafür, dass viele Gäste in der Stadt waren. Auch wir haben Rashdul wegen des Fests der Freude aufgesucht. Ich hatte schon viel von den wilden Tagen gehört und nun wollte ich diese auch selber miterleben. Hagens Interesse an dem Fest war eher bescheiden. Ausschweifungen dieser Art fanden nicht sein Gefallen. Doch mir zur Liebe reiste er mit. Dem märchenhaften Charme Rashduls konnte er sich aber auch nicht verschließen. Obwohl wir schon einige Tage vor den Feierlichkeiten im Ort ankamen, waren die Karawansereien schon gut belegt. Trotzdem bekamen wir noch ein Zimmer in der Unterkunft Am Basar, die auch tatsächlich dort lag. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, mussten wir uns unbedingt gleich den Basar ansehen.
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Es war wie das Eintauchen in einer fremden Welt. Die Gassen des Basars waren eng, und da viele Händler ihre Waren auch zusätzlich noch auf Ständen vor ihren Laden präsentierten, wurde diese noch enger. Über uns schaukelten friedlich Lampions, Stoffbahnen und Kleidungsstücke in allen Farben des Regenbogens im Wind. Ich fand ein schönes seidenes Halstuch, das ich dann aber wieder zur Auslage zurücklegte. Ebenso käuflich zu erwerben waren Äffchen und Papageien, die an manchen Ständen lärmend in Käfigen saßen, die Gewürze und Früchte, die aus Säcken und Körbchen zu quellen schienen, mit Schnitzereien verzierte Möbel, blitzendes Metallgeschirr und die Berge vom süßen Gebäck. Wem der eigene Einkauf zu schwer war, konnte sich einen Trägersklaven mieten oder bei Bedarf gleich kaufen. Alles war käuflich auf dem Basar. Sogar die Turbane auf den Köpfen der Händler.
Von allen Seiten bestürmten uns Händler, priesen ihre Angebote, wollten uns zu Tee und Pistazientörtchen eingeladen oder fließende Seide verkaufen, eine prächtige Lampe, saftige Arangen edlen Khunchomer, kunstvoll bemalte Kacheln, ein flauschiges Kätzchen, feurigen Pfeffer, lieblich-süßes Räucherwerk, eine Rüstung für wahre Helden, frisches knuspriges Brot oder diese Sitzkissen, bequem wie Rahjas Schoß.
Plötzlich war Hagen verschwunden. Ich vermutete, dass er beim Rüstungshändler hängen geblieben ist und Maß für eine neue Rüstung nahm. Das sähe ihn ähnlich. Wir hatten vereinbart, dass wir uns wieder bei unserer Unterkunft treffen würden, sollten wir getrennt werden. Deswegen machte ich mir keine Sorgen und sah mich weiter um.
Auf einmal legten sich von hinten zwei Arme um mich. Das Seidentuch, das ich vorhin bewundert hatte, wurde mir über die Schulter gelegt. Ein Geschenk von Hagen. Ich drehte mich um, umarmte ihm und bedankte mich mit einem langen Kuss.
Haltet den Dieb, schrie jemand. Ein schmächtiges junges Mädchen rannte an uns vor. Hagen versuchte ihr ein Bein zu stellen. Das Mädchen kam etwas ins Straucheln, konnte aber das Gleichgewicht behalten und versuchte sich weiter durch die Menge zu quetschen. Wir nahmen die Verfolgung auf. Das Mädchen musste sich den Weg frei schubsten, dadurch hatten wir fast freie Bahn. Ich hatte sie fast eingeholt und bekam sie am Arm zu fassen.
Aus meinem Griff konnte sie sich nicht entwinden. Bald waren auch zwei Stadtgardisten bei uns, die sich um die Diebin kümmerten. Die Wachleute bedankten sich bei uns, dass wir ihnen bei der Jagd nach der Gesetzesverbrecherin unterstützt hatten. Zum Dank luden sie uns zum Abendessen in ein Teehaus ein. Gerne nahmen wir an.
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Zachwan ibn Alesham und Reshan ibn Zohir waren die Namen der beiden Gardisten, die uns nach ihrem Dienstschluss zu Tee und Gebäck in ein Teehaus einluden. Mehrfach bedankten sie sich bei uns Söhne und Töchter der Tapferkeit für unsere Unterstützung. Diese Plage der gierigen Diebe auf dem ehrwürdigen Basar würde immer schlimmer werden. Vor kurzem habe es auch einige seltsame Diebstähle gegeben, die dem Agha große Sorgen bereiten. Der ehrwürdige Agha würde es sicher mit Freude begrüßen, wenn wir Söhne und Töchter der Tapferkeit bereit wären, ihm bei diesem spezial gelagerten Sonderfall, mit dem er sich auseinandersetzen muss, unter die Arme greifen könnten, wie wir es auch auf dem Basar getan hatten. Wir erklärten uns bereit, uns am nächsten Tag mit dem Agha zu treffen.
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Der Hauptmann der Stadtgarde Mhadul ibn Hilal empfing uns in der Garnison in der Oberstadt. Er war etwa Mitte 40, um den Bauch herum etwas behäbig und mit ergrauten Schläfen. Der Agha trug eine Rüstung der Stadtgarde, kombiniert mit einigen Ringen und einem prachtvollen Gürtel. Mhadul wirkte entspannt, aber sehr selbstbewusst.
Nachdem wir im Arbeitszimmer des Aghas bei Tee und Mandeln etwas über uns und unsere Heldentaten berichtet hatten, ergriff der Hauptmann das Wort:
Ich bin froh und dankbar, solch tapfere Recken zu treffen. Ihr müsst wissen, Kinder des Mutes, dass ich zurzeit sehr in Sorge bin. Diebe gibt es zu jeder Zeit, doch jetzt, so kurz vor dem Fest der Freuden, plagen uns einige Vorfälle, die alles bisher Geschehene übersteigen, sowohl an Dreistigkeit, als auch an Gefahr. Ich bedaure zutiefst, euch mit meinen Problemen zu belästigen, doch diese Vorfälle übersteigen mein Wissen und meine Erfahrung.
Noch nie habe ich gesehen, dass ein Dieb, sei er auch noch so gerissen, in seiner Gier, keinerlei Spuren bei einem Einbruch hinterlässt.
Der letzte Einbruch war beim Schmuckhändler Yuselef ibn Yussuf in der Oberstadt. Die Diebe haben fast alles an Schmuck gestohlen, der im Laden zu finden war und keinerlei Einbruchspuren hinterlassen. Die Schlösser und Fensterläden waren zu unser aller Entsetzen unbeschädigt.
Dann wurde beim Teppichhändler Orhan ibn Sahfir, auch in der Oberstadt, eingebrochen. Zwei teure und prächtige Teppiche wurden entwendet. Aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustands hat der Händler uns die Details dieses Einbruchs jedoch erst einige Tage später gemeldet. Auch hier wurden keinerlei Einbruchsspuren gefunden.
Besonders brutal gingen die Diebe beim Waffenhändler Kashid ibn Said vor. Er wurde mittels Gift betäubt und die Diebe verschwanden anschließend mit Dolchen und Wurfwaffen. Da dies auf etwas Größeres als einen einfachen Einbruch hindeutet, wurden die Wachen in der Oberstadt verdoppelt. Wir sind uns nicht sicher, wer dahinter stecken könnte und ob dies überhaupt mit den seltsamen Diebstählen bei dem Schmuck- und Waffenhändler zusammenhängt.
Auch im Basarviertel wurde eingebrochen, und zwar beim Gewürzhändler Pahil ibn Perzimiton. Dort haben die Diebe jedoch nicht nur eine größere Menge Pfeffer und andere Gewürze gestohlen, sondern auch das Schloß aufgebrochen. Da bin ich mir aber nicht sicher, ob dies mit den anderen Überfällen zusammenhängt. Auf jeden Fall ist der Gewürzhändler sehr erbost über den Verlust seines Pfeffers.
Natürlich tun wir alles, was in unseren Kräften steht, um die Diebe zu fangen. In den letzten Tagen haben wir bereits einige festgenommen. Sowohl Taschendiebe auf dem Basar, als auch einige Einbrecher. Sie sitzen nun alle im Kerker. Der Kadi und auch wir, die Stadtgarde, halten es besser, sie während des Fests der Freuden festzuhalten, damit sie da keine weiteren Diebstähle mehr begehen. Die meisten Bestohlenen, Händler, wie Reisende, haben Anklage erhoben und erwarten Bestreifung.
Übliche Diebesverstecke oder Treffpunkte sind uns nicht bekannt, außer die Kechans. Aber jeder Mensch, der über etwas Verstand verfügt, sollte sich nicht in die alte Kanalisation unter der Stadt begeben. Uns ist bekannt, dass es dort einige Diebesnester gibt, aber wir warten lieber ab, dass sich die Diebe nach draußen begeben, anstatt sich in den alten Tunneln in Gefahr zu bringen. Aufgrund der Unübersichtlichkeit und der daraus entstehenden Gefahren kann ich dies nicht von meinen Gardisten verlangen. Ihr solltet das auch möglichst vermeiden.
Hin und wieder kommt es auch in der Umgebung der Stadt zu Diebstählen und Überfällen. In einer Karawanserei an der Straße Richtung Mherwed soll es beim Personal der Karawanserei einen Dieb geben. Vor einigen Tagen wurde außerdem ein reisender Händler aus Richtung Khanuba kommend überfallen, konnte sich jedoch mit einigen größeren Münzen vor weiterem Übel bewahren. Zusammenhänge zu den Vorfällen hier in Rashdul sind aber mehr als nur fraglich.
Werte Kinder der Tapferkeit, wollt ihr euch mit den diebischen Vorgängen in meiner Stadt auseinandersetzen?
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Da es noch einige Tage bis zum Fest der Freude dauerte, willigten Hagen und ich ein. Zwar war Rashdul eine Stadt, in der ich ohne weiteres einfach nur meine Zeit verbringen konnte: ziellos durch die Straßen streifen, auf dem Basar stöbern, in den Teehäusern sitzen und das märchenhafte Ambiente der Stadt auf mich wirken zu lassen. Aber meinem lieben Freund würde es ohne Beschäftigung zu schnell langweilig wären.
Wir fingen mit unseren Ermittlungen bei dem Schmuckhändler an. Als wir ihm auf den Diebstahl ansprachen, klagte er uns sein Leid. Durch diesen Diebstahl sei er ruiniert. Es könnte doch nicht sein, dass die Garde keine Spuren findet. Einbrecher hinterlassen immer Spuren. Wir dürften uns gerne umsehen. Sollte es uns gelingen, seine Ware zurückzubringen, wäre seine Dankbarkeit unermesslich groß.
Der gestohlene Schmuck und die Edelsteine befanden sich in verschiedenen kleinen Truhen und Kästen im Laden. Entwendet wurden ein Fuchsamulett mit Türkisen, ein kostbares Rubincollier, mehrere Armreife, etliche Ringe mit Saphiren und Smaragden, ein prächtiges Gesamtschmuckset aus Ringen, Armreifen und Halskette mit Smaragden und einige einzelne Steine. Das war wohl alles um die 500 Marawedi wert. Ein herber Verlust für Yuselef bin Yussuf.
Die Schlösser und Truhen, in denen der Schmuck lag, wurden vermutlich mit einem Dietrich geöffnet. Bei einem Teil der Schlösser, etwa weniger als die Hälfte, gab es viele Kratzspuren neben den Schlössern. Bei den anderen fehlten die Spuren. Anscheinend waren mindestens zwei Einbrecher im Laden, die unterschiedlich geschickt im Umgang mit dem Dietrich waren.
Die Tür war unversehrt. Aber der Schließriegel war viel zu klein. So ließ sich die Tür einfach aufstoßen. Wäre der Riegel größer, hätte er die Einbrecher sicher abgehalten, da das Schloss sehr kompliziert war. Ansonsten gab es keinerlei Spuren an der Tür. Yuselef hatte auch keine Ahnung, was die Diebe mit der Tür angestellt hatten. Solange der Riegel nicht repariert ist, muss immer jemand nachts Wache stehen. Für uns gab es nur eine Ursache für den geschrumpften Türriegel: Magie.
Als wir Yuselef unsere Überlegungen mitteilten, wirkte er sehr bestürzt. Er habe aber keine Ahnung, wer hinter dem Diebstahl stecken könnte. Magier würde er mit größtem Respekt begegnen und hat auch noch nie einen geschadet. Ein Magier würde doch auch nie zu einem gemeinen Dieb verkommen.
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Wir wollten uns auch die beiden anderen Tatorte in der Oberstadt ansehen. Der Gewürzhändler Pashil ibn Perzimton freute sich darüber, dass wir im Auftrag der Stadtgarde noch einmal nach Spuren suchen wollten. Er beschimpfte die unbekannten Räuber auf das Übelste und bat uns inständig, ihm seine Waren zurückzubringen. Falls denn möglich sein sollte. Wahrscheinlich haben seine Gewürze schon lange die Stadt verlassen.
Im Inneren des Ladens hatten die Diebe leichtes Spiel. Die Gewürze und Kräuter wurden in offenen Körben, Kisten und Säcke aufbewahrt. Sie mussten sich nur bedienen und zusammenraffen, was sie tragen konnten. Auch hier war die Tür unversehrt. Doch der Schließriegel hatte eine normale Größe. Aber an den Fensterläden im Erdgeschoss konnten wir leichte Beschädigungen entdecken. Hier wurde sich Einlass mithilfe von Werkzeugen, wahrscheinlich einem Brecheisen, verschafft. Magie war da nicht im Spiel. Also ganz anders als beim Schmuckhändler.
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Als letztes besuchten wir den Teppichhändler Orhan ibn Shafir. Aus gesundheitlichen Gründen, er vertrug die Hitze des Tages nicht, konnte er uns erst am frühen Abend empfangen. Wir sahen uns zuerst in seinem Geschäft um. Aber, außer dass die Tür unversehrt war, konnten wir nichts feststellen. Das lag vielleicht auch daran, dass der Einbruch schon viele Tage her ist.
Bei einer Tasse Tee unterhielten wir uns mit Orhan auf der Dachterrasse seines Hauses. Orhan konnte uns aber auch berichten, dass seine Tür einige Tage nach dem Einbruch nicht richtig schloss. Ihm sei aber auch aufgefallen, dass der Schließriegel die Größe einer Ameise hatte. Doch mittlerweile ist wie durch ein Wunder wieder alles in Ordnung mit Tür und Riegel. Die Diebe haben nur zwei kleine, aufgerollte Teppiche gestohlen. Der Verlust der Teppiche wäre im Wert von 50 Marawedi, sei also finanziell verschmerzbar, aber doch ärgerlich.
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Für einen Besuch beim Waffenhändler war es nun schon zu spät. Den würden wir am nächsten Tag aufsuchen. Wir beendeten den Abend mit einigen Kelchen tulmanidischen Wein. Trotzdem versuchten wir, den Abend noch sinnvoll zu nutzen und befragten die Gäste der Taverne Am Basar. So erfuhren wir, dass es in Rashdul viele Diebe gab, die nur schlechte Menschen bestehlen, in einer Gilde organisiert und mit der Stadtgarde verfeindet sind. Außerdem gehen sie gerne in den Feqtempel und haben geheime Verstecke in der Stadt. Die größten Diebe wären die Steuerbeamten des Sultans. Die Bettler der Stadt wären auch alles Diebe und hätten kein besonders gutes Verhältnis zur Stadtgarde. Um Diebesgut zu verkaufen, geht man am besten auf den Basar.
Auch wenn uns nicht alle dieser Aussagen glaubwürdig erschien, planten wir anhand ihnen unseren nächsten Tag. Am Vormittag wollten wir den Waffenhändler und den Feqtempel aufsuchen und uns noch weiter in den Gassen von Rashdul umhören. Am Nachmittag stand ein Besuch bei der Al’Pandjashtra, der Magier-Akademie, an.
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Kashid ibn Said hatte sein Geschäft am südlichen Rand des Basars. Der wichtigste Bestandteil seines Ladens war ein Verkaufsstand vor dem eigentlichen Geschäftsraum unter einer Markise, die vor der Sonne schützte. Von diesem wurden am fraglichen Tag auch die Waffen entwendet.
Als wir ihm aufsuchten, war er immer noch bestürzt, dass er sich so einfach hat überrumpeln hat lassen. Als wir ihm sagten, dass wir auf der Suche nach den Dieben sind, erzählte er uns von dem Überfall:
Er war noch recht früh am Morgen und entsprechend relativ leer auf dem Basar, als ein mittelgroßer Tulamide mit grünem Keffiya (Kopftuch) an seinem Stand herantrat und sich für einen prächtigen Khunchomer interessierte. Während des beginnenden Verkaufsgesprächs erschien plötzlich eine stark geschminkte, rothaarige Frau, die ihm einen Dolch verkaufen wollte. Als der Mann ihn wieder ansprach, schnitt die weiter auf die Aufmerksamkeit des Händlers bedachte Frau „versehentlich“ mit dem Dolch in die Hand. Dann ließ sie den Dolch fallen, ergriff die Hand des Händlers und entschuldigte sich mehrfach ausgiebig. Der kleine Schnitt schmerzte sehr viel mehr, als es zu erwarten gewesen wäre und nach wenigen Herzschlägen verkrampfte sich der ganze Körper des Händlers und er verlier das Bewusstsein. Was danach geschah, wusste Kashid nicht, seine Erinnerung setzte erst wieder ein, als die Diebe längst verschwunden waren und sich die Garde um ihn kümmerte. Offensichtlich wurde er vergiftet.
Die Diebe haben zehn Wurfdolche, zehn Wurfsterne und fünf gewöhnliche Dolche entwendet, was Kashid zutiefst bedauerte, denn er hatte doch so eine schöne Auswahl. Außerdem haben sie den Khunchomer gestohlen, der eine kunstvolle Sternengravur hatte. Den Dolch, den die Frau verkaufen wollte, haben die Diebe wieder mitgenommen. Allerdings hätte der Mann eine Keffiya verloren. Er hatte es wohl eilig, wegzukommen. Das Tuch hatte die Garde mitgenommen.
Sollte es uns gelingen, nicht nur die Diebe zu finden, sondern auch Kashid seine gestohlene Waren zurückzubringen, wäre er uns nicht nur unendlich dankbar, wir könnten uns auch einen Wurfstern und Wurfdolch aus seinem Sortiment aussuchen. Selbstverständlich würde er uns auch bei allen Geschäften einen guten Preis machen. Einen Verdacht, wer hinter dem Anschlag stecken könnte, hatte er nicht. Er hätte zwar geschäftliche Konkurrenten, doch konnte er sich nicht vorstellen, dass seiner von ihnen ihn auf eine derartig niederträchtige Weise bestehlen würden.
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Mehr war am Stand nicht herauszufinden. Ich hatte eine Vermutung, was das Gift betraf. Ich hatte mal von Kelmon gehört. Das ist ein von einer fleischfressenden Pflanze gewonnenes Jagdgift, das man auch auf Waffen auftragen kann und zur Lähmung führt. Meiner Meinung nach wurde dieses Gift hier benutzt.
Als wir uns vom Stand entfernen wollten, fiel mir ein Bettler auf, der in der Ecke saß. Ich gab ihm ein Silberstück und fragte ihm, ob er immer am gleichen Platz sitzt. Er bejahte.
Ein weiteres Silberstück landete in der Schüssel, die er vor sich am Boden stehen hatte. Ich fragte ihm, ob er am Tag des Überfalls auch da war und ob ihm was aufgefallen wäre.
An dem entsprechenden Morgen sei eine junge Tulmaidin mit roten Haaren zu ihm gekommen, habe ihm eine Zechine zugesteckt, dafür, dass er über die kommenden Ereignisse schweigen würde. Kurz darauf sei erst ein Mann mit grünem Kopftuch an den Laden getreten und wenige Augenblicke später die Frau. Während eines kurzen Wortwechsels, was eindeutig der Beginn eines Verkaufsgesprächs war, schrie der Händler plötzlich auf und griff sich an die Hand. Die Frau entschuldigte sich mehrfach, bis der Händler zusammensackte. Dann gesellte sich ein weiterer junger Mann mit dunkelbrauen Haar und Dreitagebart zu ihnen und zu dritt packten sie einige Waffen ein und verschwanden in die Gassen.
Es klimperte, als ein weiteres Silberstück in seiner Schüssel landete. Den jungen Mann, der später dazu kam, hatte der Bettler schon einige Male gesehen. Er hieß wohl Dscharik oder Schamil oder so und würde sich vor allem außerhalb der Stadt herumtreiben, seitdem er mit dieser Leya, der rothaarigen Frau, zusammen ist. Den anderen Mann kannte er nicht.
Noch einmal klimperte es in seiner Schale. Wir bedankten uns für die hilfreichen Informationen bei dem Bettler. Danach gingen wir zur Stadtgarde.
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Bei der Garde trafen wir auf Reshan ibn Zohir, der uns zu einer Tasse Tee einlud, um ihm von unseren Fortschritten zu erzählen. Mit den in Erfahrung gebrachten Namen konnte er nichts anfangen. Aber er besorgte uns das grüne Keffiya, das einer der Diebe am Waffenstand verloren hatte.
Am Basar gab es zahlreiche Stoffhändler, die uns gerne ihre Ware präsentierten. Nur der gesuchte Stoff war nicht dabei. Nach einigem Herumfragen landeten wir schließlich beim Stand von Matuf ibn Kanesh, der den Stoff sofort erkannte. Der Händler bereiste nur die direkte Umgebung von Rashdul und kaufte den Stoff in Khanuba im Kloster ein. Die dortigen Perainegeweihten stellten den Stoff vorwiegend für den Eigengebrauch her, würden diesen aber auch verkaufen.
An den Dieb konnte er sich anhand der Beschreibung nicht erinnern. Doch wies er noch einmal darauf hin, dass die Geweihten nicht nur an ihm verkauften.
Wir sollten unsere Nachforschungen also in Khanuba fortsetzen. Doch der Tag war schon so weit fortgeschritten, dass wir erst am nächsten Tag aufbrechen würden. Aber wir wollten ja noch die Magierakademie besuchen.
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Die altehrwürdige Pentagramm-Akademie thronte in der Oberstadt auf einem eigenen kleinen Plateau und genoss den Ruf, die besten Dschinnenbeschwörer der Tulmanidenlande, wenn nicht sogar des Kontinents auszubilden. Den Legenden nach wurde das Gebäude von Dschinnen errichtet, die heute noch den dortigen Magiern dienen. Im und am Gebäude konnten wir immer wieder kleine Luftwirbel sehen, die Staub und Vogelkot entfernten. Auch die beeindruckenden Steinstatuen am Eingang bewegten sich, als wir an ihnen vorbeigingen.
Die Magier der Akademie standen nicht in dem Ruf, auf Diebereien angewiesen zu sein. Im Gegenteil, sie waren politisch sogar hoch angesehen. Der Sultan Hasrabel hatte neben seinen politischen Aufgaben auch die Leitung der Akademie inne. Doch der Sultan selbst empfing uns nicht. Wir wurden in einen prächtig eingerichteten Salon geführt und bekamen einen ausgezeichneten Tee serviert, während wir warteten. Und wir mussten lange warten. Nach einer Stunde erwies uns ein beleibter, nachdenklich wirkender Herr, Yakuban ben Hasrabal, stellvertretender Akademieleiter und dem Nachnamen nach wohl Sohn des Sultans, die Ehre. Wir schilderten ihm unser Anliegen. Anschließend beantwortete er mit ruhiger Stimme unsere Fragen:
Bisher sehe ich in dem, was ihr mir berichtet hatte, keinen Anlass zur Besorgnis, doch sollte man die Angelegenheit so schnell wie möglich klären.
Es ist durchaus möglich, mit der Hilfe eines Dschinns den Riegel einer Tür schrumpfen zu lassen. Aber es ist keinem Schüler der Akademie gestattet, das Gelände vor Abschluss seiner Prüfung zu verlassen. Außer zu einer akademischen Exkursion natürlich. Ich halte es für unwahrscheinlich, nein, man kann es sogar ausschließen, dass einer der ehrwürdigen Lehrmeister und Gebieter ein Dieb ist.
Aber es gibt auch Möglichkeiten woanders, die Grundlagen der Elementarmagie zu lernen. In Mherwed und auch in Khunchom gibt es Magierakademien. Auch in einigen kleineren Orten haben sich Lehrmeister niedergelassen.
Der am nähsten gelegene Lehrmeister wäre wohl Cherek ibn Rohelyan. Der alte Elementarist schickte früher öfters Schüler zur Akademie, damit sie die Prüfung ablegen können. Doch ist es schon Jahre her, dass er jemanden geschickt hatte. Wahrscheinlich bildete er schon lange nicht mehr aus. Er hat sich nach Khanuba zurückgezogen.
Tatsächlich gab es vor einiger Zeit Probleme mit einer Schülerin, die ihre Finger nicht vom Eigentum anderer lassen konnte. Selbstverständlich hat man sie von der Akademie verwiesen, da es nicht nur bei dem einen Vorfall blieb. An den Namen der Schülerin kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich kann den Namen aus den Aufzeichnungen heraussuchen lassen, wenn ihr es wünscht.
Nein, Kelmon wird hier nicht hergestellt. Wir widmen uns hier der traditionellen Kunst der Beschwörungen und nicht der Giftmischerei. Gifte gibt es auf dem Basar. Dafür braucht man uns Magier nicht.
Wenn ihr sonst keine Fragen habt, würde ich mich nun verabschieden. Wenn ihr hier warten möchtet, schicke ich euch noch jemanden vorbei, der euch den Namen der Schülerin nennt. Maha es-Salama!
Der stellvertretende Akademieleiter verließ uns. Wir mussten wieder fast eine Stunde warten, bis ein anderes Mitglied der Magierakademie uns aufsuchte und uns den Namen des Mädchens nannte. Sie hieß Amuleya Zyberasunni. Wo sie nach ihrem Ausscheiden aus der Akademie hingegangen ist, wusste man nicht. Aber man hält es für möglich, dass sie an einem anderen Ort ihre Ausbildung fortsetzte.
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Am nächsten Tag ging es also nach Khanuba. Der kleine Ort liegt etwa vier Meilen westlich von Rashdul an der Sultanstraße. Doch die Bewohner der Lehmhäuser hier wünschen sich immer wieder, dass die Stadt näher oder ferner sein möge. Sie leben davon, Reis, Ziegen und andere Lebensmittel in der Stadt zu verkaufen. Doch begegnen sie immer wieder der Arroganz einiger Städter und Händler, die Rashdul für die Krone der Kultur und Khanuba für ein dreckiges Bauerndorf halten. Damit tun die der kleinen Stadt Unrecht, denn hier mischt sich bäuerlicher Fleiß mit tulamidischer Gemütlichkeit.
Es war kein Problem das Haus von Cherek ibn Rohelyan zu finden. Man wies uns auf der Straße den Weg zu ihm. Der alte Elementarist saß vor seinem Haus und zog an einer Wasserpfeife. Er konnte sich an die kleine Amuleya erinnern. Ja, es stimmte, dass er sie vor einigen Jahren als Schülerin aufgenommen und ausgebildet hatte. Es stimmte auch, dass sie eine Vorliebe für das Eigentum anderer hatte. Aber das war sicherlich eine jugendliche Torheit. Nein, er wüsste nicht, wo sie sich derzeit aufhielt.
Wir bedankten uns bei dem altehrwürdigen Meister und setzten unseren Weg zum Perainekloster fort.
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Das verfallene Perainekloster Al’Zhorasch stand am Rande Khanubas und hatte eindeutig schon bessere Tage gesehen. Nachdem wir dem Kloster eine Spende gegeben hatten, empfing uns die Geweihte Peribeth saba Laila, eine grauhaarige Frau mit Falten im Gesicht. Wir erklärten ihr den Grund für unseren Besuch.
Das Tuch erkannte sie wieder. Das war zweifellos von ihrem Kloster hergestellt. Aber sie wüsste nicht, wer der Käufer war. Sie würden nicht nur an Matuf ibn Kanesh verkaufen, sondern an jedem beliebigen Händler, auch an Einzelpersonen.
Diebe wären derzeit ein großes Problem. Eigentlich wollte man in Khanuba nichts mit den Problemen von Rashdul zu tun haben. Doch in letzter Zeit werden immer wieder Reisende angegriffen, die dann verwundet im Kloster landen. Sie wollte den Steuerbeamten des Sultans darum bitten, etwas dagegen zu unternehmen. Doch würde dieser sie erst wieder nach dem Fest der Freude besuchen. Außerdem wäre sie sich nicht sicher, wie viel Unterstützung sie wirklich von ihm zu erwarten hätte. Bisher hatte er sich nie besonders durch Hilfsbereitschaft ausgezeichnet. Umso mehr würde es sie freuen, dass wir uns um dieses Problem kümmern würden.
Aber Amuleya sollte damit zu tun haben? Das kann doch nicht sein. Das junge Mädchen ist immer so gütig zu allen. Sie verteile auch regelmäßig Essen an die Armen. Ich erzählte der Klostervorsteherin von den Einbrüchen in Rashdul und dem Einsatz von Magie dort. Als sie davon hörte, empörte sie sich sehr darüber, wofür Amuleya ihre Gabe missbrauchte. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, verriet sie uns, dass Amuleya mit ihrem Freund Dschadir auf einem Hof außerhalb Khanubas wohnte.
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Als wir auf dem Hof ankamen, hörten wir lautes Bellen. Als einer der Männer auf dem Hof uns sah, begann er laut etwas auf tulmanidisch zu rufen. Vier Hunde und drei Männer stürzten daraufhin auf uns zu und griffen uns an.
Die Hunde schlugen wir schnell in die Flucht. Dann konnten wir uns um unsere menschlichen Gegner kümmern. Sie waren mit Dolchen bewaffnet. Doch als der erste von ihnen tot im Staub lag, ergriffen die beiden anderen auch die Flucht. Wir wollten ihnen hinterher, doch da kam aus einer der Hütten ein junger Mann in Begleitung einer hübschen Frau.
Halt, was ist hier los? Warum greift ihr meiner Diener an, fragte der Mann und breitete seine Arme dabei aus.
Das hier ist ein Diebesnest, antwortete Hagen. Das werden wir ausräuchern!
Was für harte Worte, entgegnete der junge Mann. Lass uns Freunde sein. Ich gebe dir Geld. Dann geht ihr weg und ihr wart niemals hier.
Hagen gab dem jungen Mann die einzig richtige Antwort. Er wirbelte mit seinen beiden Schwerter auf ihm zu. Ich warf mich auf die Frau. Ich wollte sie umreißen, damit sie keine Zeit hatte, um einen Zauberspruch vorzubereiten. Gegen den Kampfstil meines Freundes wusste der junge Mann kein Gegenmittel. In einer Blutlache erlag der junge Mann seinen Verwundungen. Als Amuleya, mit der ich raufte, dies merkte, schrie sie ein lautes NEIN, fing an zu weinen und ergab sich.
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Der junge Mann war Dschadir ben Cherek, Sohn des alten Elementarmeisters. Er hatte sich in Amuleya verliebt, als sie ihr Studium bei seinem Vater antrat. Beide wollten sich durch Diebstähle ihren Lebensunterhalt verdienen. Bei der Durchsuchung der Häuser fanden wir einiges von dem Diebesgut wieder: die Teppiche, den Schmuck und die abhanden gekommenen Waffen. Hinter dem Gehöft hatten die Beiden Disdychonda angepflanzt. Aus den Blättern der Pflanzen wird das Kelmongift gewonnen. Das Feld wurde von der Stadtkammer niedergebrannt.
Amuleya gestand ihre Taten und wartete auf ihren Prozess nach dem Fest der Freude. Zur Freude der Ausgeraubten brachten wir das Diebesgut zu seinen Besitzern zurück. Yuselef ibn Yussuf, der Schmuckhändler, lud uns zu einem reichhaltigen Abendessen in sein Haus sein. Dabei mussten wir ihm und seinen anderen Gästen immer und immer wieder erzählen, wie wir der magischen Diebesbande auf die Spur kamen.
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