Mein erster Held

Lange, sehr lange, ist es her (irgendwann in den 1980er Jahren), da erwürfelte (ja, das war damals wirklich noch die Art, wie man seinen Helden erschuf) ich meinem ersten Rollenspiel-Helden. Das Spielsystem war damals Das Schwarze Auge. Ich hatte Würfelglück und musste keinen Abenteurer spielen (was damals die am meisten verbreitete Heldengruppe war), sondern hatte tatsächlich die Voraussetzungen für einen Zwergen, dem ich unbedingt spielen wollte, erfüllte. Oder hatte ich den Würfel stark angepustet, damit dieser noch einmal umkippt? Ehrlich gesagt weiss ich das nicht mehr so genau. Was ich noch genau weiss, war, dass mein erster Held ein Zwerg war. Und er trug den Namen Thorin Eichenschild

Der Name kam natürlich aus dem kleinen Hobbit. Sollte man denken. Bei mir kam er von meinem Bruder Thomas, der mich für das Rollenspiel begeisterte und dessen Held bei D&D ein Zwerg war und Thorin Eichenschild hiess. Lange Zeit wollte ich meinem großen Bruder in allem nacheifern und kopierte deswegen auch den Namen meines Rollenspielheldens von ihm.

Schon zu Grundschulzeiten war es schwierig mit mehreren Leuten Terminabsprachen zu treffen. Deswegen war es nicht so einfach, jemanden zum Spielen zu finden. Am Einfachsten war es mit meinem Kumpel Sascha, der im gleichen Haus wohnte, wie meine Oma und dem ich dadurch täglich in den Ferien traf. Er hatte nicht so viel Würfelglück wie ich (oder die Pustekraft seiner Lunge war nicht so gut wie meine, da er vor mir schon rauchte 😛 ), deswegen erschuf er „nur“ einen Abenteurer. Aber Dank der damaligen DSA-Regeln wurde später ein Krieger daraus. Sein Name war… es waren die 1980er Jahre… natürlich Rambo 🙂

Thorin Eichenschild war König der Koschberge. Im Gebirge fand man eines Tages ein ausgesetztes Menschenbaby. Das wurde von den Zwergen aufgenommen und wuchs dort auf. Um seine Erziehung kümmerte sich vor allem der Zwergenkönig Thorin. Dieses Interesse an dem Menschengeschlecht stiess bei den Zwergen der Koschberge schlecht auf. Vor allem Norin Dunkelzahn (ok, dem Namen hatte ich eben erfunden. Ich weiss nicht, ob wir Thorins Widersacher damals einen Namen gaben) nutzte dies aus und sorgte für einem Aufstand der Koschzwerge gegen ihren König. Viele tapfere Zwerge verloren bei diesem Aufstand ihr Leben. Doch es war nicht umsonst. Thorin und sein Ziehsohn Rambo konnten entkommen. Fortan zogen sie durch Aventurien und erlebten Abenteuer.

Da wir nur zu zweit waren und Interesse hatten, unsere Helden gleichzeitig zu spielen, entwickelten Sascha und ich unsere eigene Art Rollenspiel zu betreiben. Wir malten auf einem Blatt Papier Dungeons auf, beschrifteten die Räume damit, was uns dort erwartete und dann gingen wir diese durch. Der Erschaffer des Dungeons erzählte noch eine Geschichte dazu. Aber oh Wunder… wir verpassten wirklich keinen versteckten Schatz damals 😉

Es dauerte nicht lange und wir waren zu dritt. In einem Abenteuer, das ich malte, befreiten wir einen Elfen aus der Gefangenschaft von Orks. Sein Name war Averell. Aus Dankbarkeit schloss er sich uns an. Da Zwerge Elfen nicht mögen (und Rambo bei Zwergen aufwuchs, mochte er Elfen auch nicht) wurde Averell unsere ständiger Prügelknabe. Das Vorbild für ihm war Averell Dalton aus Lucky Luke. Zwar erschuf ich ihm als unseren Begleiter, doch spielten sowohl Sascha und ich ihm. Es war wirklich lustig, einen Prügelknaben bei sich zu haben.

Doch Averell wurde später zu mehr. Er rettete sogar einmal durch einen Heilzauber Thorins Leben. Obwohl man meinen könnte, er hätte seine Schuld dadurch ausgeglichen, blieb er weiterhin in der Gesellschaft von Thorin und Rambo. Trotz der Gehässigkeiten der Beiden wich er ihnen nicht von der Seite. Später wurde er zum engsten Vertrauten von Thorin Eichenschild.

Als Jugendlicher hat man ziemlich viel freie Zeit. Deswegen waren irgendwann ein oder zwei Helden nicht genug. Abseits vom Spielen mit Sascha wurde der Mitspielerkreis dann doch etwas größer und man hatte plötzlich einen ganzen Leitz-Ordner voller Helden. Auch Saschas Rambo sammelte mehr Mitstreiter um sich herum. Leute, die sich den Beiden anschlossen. Aber auch schon lange vor „Wege der Vereinigung“ entwickelten Sascha und ich unsere eigenen Sex-Regeln. Wir schufen fleißig Nachkommen mit verschiedenen Gespielinnen, die schneller alternden als ihre Eltern, damit wir sie als Spielercharakter nutzen konnten. Die Gruppe um Thorin Eichenschild war die Gemeinschaft der Eiche. Und die Eiche wuchs und wuchs…

Irgendwann war sie so groß, dass man bereit war, Rache zu üben. Rache für die Vertreibung aus dem Koschbergen. Die Leute, die sich um Thorin und seinen Ziehsohn Rambo gesammelt hatten, griffen gemeinsam die Koschberge an. Gegen diese Übermacht hatte Norin Dunkelzahn keine Chance. Thorin holte sich seine Krone zurück.

Doch damit nicht genug. Sascha und ich waren auf dem Geschmack gekommen. Heute die Koschberge. Morgen das Mittelreich. Nachdem die Mauern von Gareth fielen, wurde Kaiser Hal von Rambo im ehrenhaften Duell besiegt. Seite an Seite marschierten unsere Armeen durch Aventurien und machten das Land uns zu Untertan. Wir teilten den Kontinent unter uns auf. Rambo regierte sein Reich von Gareth aus. Thorin wanderte in dem Norden, nannte Riva in Camelot um und regierte von dort aus die Vereinigten Staaten des Königreichs der Eiche.

Mein Bedürfnis nach Storytelling war dann doch so groß, dass ich eines Tages Thorin Eichenschild eines natürlichen Todes sterben liess. Seine zahlreichen Kinder waren so zerstritten untereinander, dass sich ein Erbfolgekrieg entwickelte. Die Vereinigten Staaten des Königreichs der Eiche kämpften gegen die Vereinigten Staaten der Eiche. Ja, es war angelehnt am Bürgerkrieg der USA und inspiriert durch die Serie Fackeln im Sturm, obwohl ich diese nie so richtig gesehen hatte.

Das waren die Erinnerungen an meinem allersten Rollenspielhelden Thorin Eichenschild. Dem ersten von zahllosen. Der aber auch immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben wird. Seine Geschichte erzählten wir lange, bevor Das Schwarze Auge wert auf eine lebendige Geschichte legte und wir veränderten den Metaplot lange, bevor dieser entwickelt wurde. Kaiser Hal starb, bevor man erfahren konnte, dass er in Wirklichkeit eine Frau war. Wir konnten ihm manche Peinlichkeiten ersparen.

Wie sind eure Erinnerungen an euren ersten Helden? Was habt ihr gespielt und welche Erlebnisse verbindet ihr mit diesen? Gerne dürft ihr in den Kommentaren darüber erzählen.


Golgolgol

Golgolgol heißt im wirklichen Leben Stefan Will. Er wurde zum DSA-Spieler, weil sein Bruder D&D besser fand, und ihn deswegen seine DSA-Basisbox schenkte. Bis Mitte der 1990er Jahren war Stefan in der Rollenspielszene sehr aktiv und probierte verschiedene Systeme aus. Nach einer langen Pause fand er 2020 das Interesse am Pen und Paper wieder und kehrte zu seinem "Heimatsystem" DSA zurück. Über die Änderungen im Lauf der Jahre war er sehr erstaunt. Trotzdem nahm er das Hobby begeistert wieder auf und gründete mit einem Mitspieler die Republik Norisburg, die zur Heimat ihrer Spielfiguren wurde. Hier im Blog berichtet Stefan von seinen Spielrunden und teilt seine Gedanken zu P&P-Themen mit.

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